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Nachhaltiges Bauen mit regionalen Rohstoffen

Bereits im alten Rom wurden mit dem Baustoff „Opus caementicium“ Maßstäbe gesetzt, Bauwerke wie das Kolosseum zu errichten.
Vorne links die Aufbereitungsanlage des Kieswerkes, rechts daneben das Betonwerk. Im Hintergrund Teile der inzwischen renaturierten Kiesgrube. Foto: Dietmar Meier

Petershagen (kri/ddm). Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Lebensweise und der Lebensstandard einer Zivilisation ganz viel mit deren Fähigkeit zu tun haben, Bauwerke zu errichten. Die Römer sind hierfür bekanntlich das prägende Beispiel. Die Fähigkeit zu bauen beinhaltet dabei nicht nur, geeignete Technologien zu entwickeln, sondern erfordert auch, dafür die nötigen Rohstoffe in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung zu stellen. Im alten Rom wurden Maßstäbe gesetzt, als im dritten Jahrhundert vor Christus mit dem „Opus caementicium“ ein Baustoff entwickelt wurde, der es erlaubte, Bauwerke wie das Kolosseum zu errichten, die uns auch 2000 Jahre später noch staunen lassen – praktisch der Vorläufer unseres heutigen Betons. Heute ist es für jeden Bürger, für Unternehmen wie für öffentliche Institutionen selbstverständlich, dass Baustoffe jederzeit in gewünschter Menge zur Verfügung stehen. Ob für Gebäude zum Wohnen und Arbeiten, ob für öffentliche Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Brücken, Tunnel, Sportstätten, Kanalsysteme etc.), ob für Kraftwerke oder Verkehrswege, kein anderer Baustoff hat in der Neuzeit für so viel Lebensqualität gesorgt wie Beton. Blicken wir einmal auf das aktuelle Thema Energiewende: damit ein Windrad auch sicher steht, benötigt es ein stabiles Fundament aus Stahlbeton. Für ein Windrad mit einer Nennleistung von 3 MW werden für die Betonproduktion 1.300 bis 1.600 Tonnen Kies und Sand benötigt, bei schwierigen Bodenverhältnissen unter Umständen noch mehr. Einmal in Volumen umgerechnet: Um 1000 Kubikmeter Beton für ein einziges Windrad anzuliefern, muss ein Betonmischer mit der üblichen Kapazität von 7 bis 8 Kubikmetern mehr als 125 mal fahren.

Ein regionaler Rohstoff

Nicht überraschend, dass Kies und Sand in der Bundesrepublik mengenmäßig gesehen an der Spitze des Pro-Kopf-Verbrauches aller Rohstoffe stehen. Um den Bedarf zu decken, müssen nach Angaben des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe (MIRO) derzeit im Schnitt 240 Millionen Tonnen Kies und Sand gewonnen werden – Jahr für Jahr. Dass es in der Stadt Petershagen beträchtliche Kies- und Sandvorkommen gibt, ist eine Folge der klimatischen Verhältnisse in der jüngeren geologischen Vergangenheit, dem Zeitabschnitt, der landläufig als Eiszeitalter bezeichnet wird. Im Verlauf der letzten kalten Phase (Weichsel-Kaltzeit genannt) hat die Weser im Stadtgebiet eine mächtige Flussterrasse aufgeschüttet, die sogenannte Niederterrasse, die sich als vier bis fünf Kilometer breites Band in Nord-Süd-Richtung durch die Stadt Petershagen zieht. Kies und Sand füllen hier eine breite Rinne, die die eiszeitliche Weser in den Untergrund aus Tongesteinen eingeschnitten hatte. Kiesgewinnung wird in der Stadt Petershagen seit etwa 70 Jahren betrieben. Eines der ersten Abbauunternehmen siedelte sich damals in Ovenstädt an, die „Kiesgruben GmbH Ovenstädt “, die mittlerweile bereits in dritter Generation als Familienunternehmen betrieben wird. Hauptverwendungszweck für die Geröllfracht, die die eiszeitliche Weser vor etwa 20.000 bis 50.000 Jahren in Ovenstädt abgelagert hat, ist — wie in den anderen Werken im Stadtgebiet auch – die Produktion von Beton, dem Baustoff, der in der Neuzeit für so viel Lebensqualität gesorgt hat wie kein anderes Baumaterial. Besonderer Vorteil in Ovenstädt: Das 1970 errichtete, 2003 dann von der Transportbetonwerk Minden-Ravensberg GmbH (Tramira) übernommene Betonwerk, in dem der Ovenstädter Kies zu Beton weiterverarbeitet wird, befindet sich unmittelbar neben der Aufbereitungsanlage des Kieswerkes. Angesichts der besonderen räumlichen Nähe pflegen die beiden Unternehmen seit vielen Jahren eine enge Zusammenarbeit, wie die Geschäftsführer betonen. „Uns verbindet eine jahrzehntelange Kooperation, die vor allem durch kurze Wege in der Region geprägt ist“, erläutert Tramira-Geschäftsführer Alexander Boschmann. Ein aktuelles Beispiel ist der Neubau der Mehrzwecksporthalle in Lahde, für die der Transportbeton aus dem Tramira-Werk in Ovenstädt kommt. Wenn es im Frühjahr an die Sanierung der Weserbrücke zwischen Petershagen und Lahde geht, dürfte das vermutlich nicht anders sein. „Auch mit Blick auf den Klimaschutz ist es natürlich ein besonderer Vorteil, wenn Rohstoffe bei uns direkt vor der Haustür gewonnen werden können und das fertige Produkt nur wenige Kilometer – beziehungsweise in diesem speziellen Fall gar keine Kilometer — transportiert werden muss. Das stärkt die Region und schont gleichzeitig die Umwelt“, so Boschmann.

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Beton aus dem Mühlenkreis

In den beiden Betonwerken der Firma Tramira in Petershagen-Ovenstädt und Minden-Dankersen wird Beton aus den Hauptbestandteilen Weserkies, -sand und Zement gemischt und zu den Baustellen ausgeliefert. Aktuell sind im Unternehmen, das seit 2019 von Alexander Boschmann als Geschäftsführer geführt wird, insgesamt 25 Mitarbeiter beschäftigt, in der Verwaltung, den Mischwerken und als Fahrer. Die Betonmischung selbst wird immer auf die jeweiligen Erfordernisse des jeweiligen Bauprojektes angepasst, die Bandbreite ist groß. Die Beteiligung an Projekten des Unternehmens in der Region reicht vom Neubau des Verwaltungsgebäudes der Edeka Minden-Hannover über den Umbau der Schachtschleuse bis hin zu diversen Windkraftanlagen in der Region. Schon im Jahr 1975 ist ein eigenes Labor mit integrierter Prüfbetonstelle eingerichtet worden, um die Qualität des Betons kontinuierlich zu sichern.

Und danach?

Rohstoffgewinnung bedeutet stets einen Eingriff in das Landschaftsbild. Beim Kiesabbau in den eiszeitlichen Flusstälern verwandeln sich landwirtschaftlich genutzte Flächen infolge des hoch anstehenden Grundwasserspiegels größtenteils in Seen. Nicht anders ist es auch in Ovenstädt. Was aus der Vogelperspektive erstmal wie eine attraktive Urlaubslandschaft wirken könnte, ist auf eine ganz andere „Zielgruppe“ ausgerichtet. Andreas Uphoff (Geschäftsführer der „Kiesgruben GmbH Ovenstädt“) bekräftigt, dass sich das Unternehmen von Anfang an engagiert hat, um die im Zuge des Kiesabbaus entstandenen Teiche für den Artenschutz zu gestalten. Und bei der Rekultivierung hat das Unternehmen in der Tat Maßstäbe gesetzt. So wurden unter anderem Inseln und Flachwasserareale geschaffen. Und auf den umgebenden Böschungen sorgt eine Gruppe von Hereford Rindern in Freilandhaltung dafür, eine weitgehend offene Grünlandfläche im nahen Umfeld der Grube zu erhalten. Die Art der Gestaltung trifft offensichtlich sehr den Geschmack der Vogelwelt, wie die Vielzahl von Wat- und Wasservögeln zeigt, die man vielfach zwischen Ovenstädt und Hävern antreffen kann.

Kommt eine Kiesabgabe?

Mit großem Befremden haben die drei Geschäftsführer registriert, dass die NRW-Regierungskoalition aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen derzeit über eine „Kiesabgabe“ verhandeln, die ab dem 1. Januar 2024 eingeführt werden solle. Leider blicke man in Düsseldorf damit vornehmlich auf den Niederrhein. Da die Abgabe aber in ganz NRW gelten solle, seien davon auch die Kieswerke an der Weser betroffen. „Gerade für einen Standort wie Petershagen, der größtenteils von Niedersachsen umgeben ist, wäre dies fatal. Im Falle einer Abgabe wären die Petershäger Kieswerke — je nach Ausgestaltung — von einem Tag auf den anderen nicht mehr konkurrenzfähig“, erklärt Stefan Bürger, Geschäftsführer, der Weserkies und -sand Vertriebs GmbH. „Da Recycling-Material als Ersatz für Sand und Kies nur in Kleinstmengen zur Verfügung steht, würden unsere Kunden das fehlende Material aus dem benachbarten Niedersachsen oder Importsplitte aus Norwegen substituieren. Alles natürlich mit einem deutlichen Mehr an LKW-Verkehr und entsprechendem CO2-Ausstoß. Das ist weder nachhaltig, noch hilft es dem dringend benötigtem Bau von Infrastruktur, dem notwendigen Wohnungsbau oder dem gewünschten Ausbau von Windkraftanlagen in NRW weiter, da die Preise dann nur eine Richtung kennen.“

Stehen für eine nachhaltige Rohstoffgewinnung: Andreas Uphoff (v.l., Geschäftsführer Kiesgrubengesellschaft Ovenstädt), Alexander Boschmann (Geschäftsführer Tramira) und Stefan Bürger (Geschäftsführer Weserkiesvertrieb). Foto: Krischi Meier
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