Petershagen (ddm). Das Thema Hochwasser in der Altstadt von Petershagen ist im Zusammenhang mit der Diskussion über das am B-Sportplatz geplante Ärztezentrum wieder mehr in den Fokus gerückt. Werfen wir einmal einen Blick auf die Situation.
Die heutigen technischen Möglichkeiten gestatten es, Überschwemmungsflächen detailgenau für jeden gewünschten Wasserstand auf einer Karte darzustellen. Benötigt werden dazu zum einen die Geländehöhen, die von der Landesvermessung in regelmäßigen Abständen überall flächenmäßig mittels Laserscan- oder Radarbefliegungen aufgenommen und in digitale Geländemodelle umgesetzt werden.
Zum zweiten sind dazu Daten über Wasserstände und Abflussmengen in dem betreffenden Flussabschnitt erforderlich. Heutige Berechnungen basieren auf Messungen an Pegeln, an denen die Höhe des Wasserstandes kontinuierlich erfasst wird. Historische Aufzeichnungen und Hochwassermarken können dazu Anhaltspunkte für Reichweiten extremer Überflutungen über einen Zeitraum von einigen 100 Jahren geben.
Eine entsprechende Pegelmeßstelle befindet sich in Petershagen am westlichen Weserufer unmittelbar nördlich der Weserbrücke — und damit dicht an der Altstadt von Petershagen (Foto auf der folgenden Seite rechts oben). Verantwortlich für den Betrieb ist hier das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Verden. Über den jeweiligen Wasserstand und damit auch die Entwicklung im Hochwasserfall kann sich jedermann zuhause online informieren, zum Beispiel auf www.pegelonline.wsv.de.
Dass die Weser bei Hochwasser an die Kernstadt von Petershagen heranrückt, wie kürzlich auch Ende Februar, ist nichts Ungewöhnliches. Das Luftbild oben zeigt die Ausdehnung am 22. Februar 2022, als diese Hochwasserwelle mit einem Stand von 6,66 Meter am Pegel genau ihren Scheitelpunkt erreicht hatte. Das Diagramm rechts oben illustriert den dazu gehörigen Wasserstandsverlauf. Die Zahl gibt übrigens nicht die tatsächliche Wassertiefe an, sondern den Abstand des Wasserspiegels zum sogenannten Pegelnullpunkt PNP an der Basis der Messeinrichtung.
Das jüngste Hochwasser war kein besonderes Ereignis. In den letzten 30 Jahren war der Wasserstand mehrfach bis zu einem Meter höher. Am 2. Februar 1995 wurde mit 7,67 Meter am Pegel Petershagen der höchste Wert in diesem Zeitraum gemessen.
Wertet man die Höchstwerte über einen längeren Messzeitraums mit statistischen Verfahren aus, kann man Wahrscheinlichkeiten ermitteln, in welchem zeitlichen Abstand bestimmte Abflussmengen im Mittel auftreten. Dieser Zeitabstand wird mit dem Begriff Jährlichkeit beschrieben. Beispiel: bei einem 25-jährlichen Hochwasser ist die Abflussmenge so groß, dass ein solches Hochwasser statistisch gesehen alle 25 Jahre einmal vorkommt.
Als amtliches Überschwemmungsgebiet werden behördlichseits Bereiche ausgewiesen, die statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren überflutet werden, wofür in der Fachsprache der Begriff HQ100 verwendet. Welcher Bereich durch ein 100-jährliches Hochwasser im Ortskern von Petershagen überschwemmt werden würde, zeigt die Karte oben. Die amtlichen Planungen notieren dafür einen Wasserstand von 8,72 Meter am Pegel Petershagen (siehe Grafik links). Ein genau solches Hochwasser hat Petershagen Anfang Februar 1946 erlebt, wie Fotos aus dieser Zeit dokumentieren.
Zwischen der Vinckestraße und der Goebenstraße befindet sich westlich der Mindener Straße eine flache Senke, die sich in die das Hochwasser vorrangig auf dem Weg über die Fährstraße strömen würde, sofern es hier keine Sperre gäbe.
Bislang existiert in dem betroffenen Bereich keine künstliche Sperre, um betroffene Wohn- und Geschäftshäuser vor einem 100-jährigen Hochwasser zu schützen. Die Stadtverwaltung hat daher im vergangenen Jahr eine Machbarkeitsstudie durch ein Ingenieurbüro erstellen lassen, in der mögliche Schutzmaßnahmen geprüft wurden, und zwar auch unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten. Das Ergebnis wurde im Spätherbst in den politischen Gremien der Stadt Petershagen diskutiert. Fazit: Die Errichtung eines neuen Deiches oder einer Hochwasserschutzwand steht angesichts der enormen Kosten in Relation zu den möglichen Schäden sowie des damit verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaftsbild nicht mehr zur Debatte.
Die Studie favorisiert demgegenüber eine Kombination aus Sandsack- und Objektschutzmaßnahmen. So könnte die gefährdete Wohnbebauung im westlichen Bereich der Mindener Straße im Hochwasserfall durch Sandsäcke an den Überlaufstellen geschützt werden. Im östlichen Bereich sollen betroffene Eigentümer und Eigentümerinnen über vorbeugende Maßnahmen im Rahmen der Selbstvorsorge mit Hilfestellungen der Stadt Petershagen informiert werden. Dazu ist auch eine Infoveranstaltung angedacht, die aufgrund der Coronalage noch nicht terminiert werden konnte.