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Annalena trifft… Anna Katharina Bölling, Landrätin des Kreises Minden-Lübbecke

"Ich bin Landrätin für 11 sehr unterschiedliche Städte und Gemeinden und die Menschen, die dort leben."

Foto: privat

Wann begann Ihr politisches Interesse? Wie verlief Ihre politische Laufbahn? 
Für Politik habe ich mich schon sehr früh interessiert. Ich wollte politische Entscheidungen, das politische System und das Weltgeschehen besser verstehen. Deshalb habe ich Politische Wissenschaft und Geschichte in Bonn studiert. Beruflich wollte ich Diplomatin werden. Deshalb habe ich den Schwerpunkt meines Studiums auf Europa- und Außenpolitik gelegt. Nach einigen Praktika u.a. in Kroatien und Bosnien-Herzegowina habe ich für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen gearbeitet. Eine unvergessliche Zeit, mit Polen verbindet mich bis heute viel. Irgendwann wurde mir jedoch klar, dass ich ohne die Weser vor der Haustür nicht so wirklich glücklich bin. Sechs Jahre habe ich deshalb in Bremen bei der CDU-Bürgerschaftsfraktion gearbeitet und war für eine breite Themenpalette zuständig: Von Gesundheit – mit Schwerpunkt kommunale Krankenhäuser – über Soziales, Frauen, Familie, Kinder, Integration bis zur Europapolitik. In der Bürgerschaft habe ich viel über politische Entscheidungen, parlamentarische Arbeit und auch über Kommunalpolitik gelernt. 

Nach den Jahren in Bremen hatte ich den Wunsch mich beruflich weiterzuentwickeln. In einer Verwaltung wollte ich Projekte für die Menschen vorantreiben und Kommune gestalten. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass mir beim Landkreis Uelzen in Niedersachsen der Seiteneinstieg in die Verwaltungsleitung eines Kreises gelungen ist.  Durch die drei Jahre in Uelzen war mir sehr bewusst, was mich als Landrätin im Kreishaus erwartet und welche positiven Seiten, und auch Herausforderungen mit dem Amt verbunden sind. 

Wie kam es zum Entschluss zu kandidieren? Hatten Sie sich das längerfristig gewünscht oder geplant?
Von alleine wäre ich nicht auf die Idee gekommen mich für ein politisches Amt zu bewerben. Als ich von der ehemaligen CDU-Kreisvorsitzenden Kirstin Korte gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, als Landrätin zu kandidieren, war ich zunächst überrascht. In meiner Vorstellung verband sich das Landratsamt u.a. mit Wilhelm Krömer und damit mit einer Generation mit deutlich mehr Erfahrung und anderem Hintergrund. Nach einigem Nachdenken habe ich jedoch zugestimmt zu kandidieren und war dann nochmal (sehr positiv) von meinem Wahlergebnis überrascht. Für mich ist mit der Wahl mein langgehegter Wunsch in Erfüllung gegangen in die Heimat zurückzukehren und etwas für die Menschen im Mühlenkreis auf die Beine zu stellen. Inzwischen bin ich sicher, dass meine bisherigen beruflichen Stationen eine gute Vorbereitung für das Amt waren und es gut getan hat, dass jemand mit externem beruflichen Hintergrund auf dem Landrätinnenstuhl sitzt.

Welches Thema liegt Ihnen für Minden-Lübbecke besonders am Herzen?
Ich bin Landrätin für 11 sehr unterschiedliche Städte und Gemeinden und die Menschen, die dort leben. Der Kreis Minden-Lübbecke ist geprägt durch einen gut entwickelten städtischen Bereich rund um Minden, Porta Westfalica und Bad Oeynhausen und einen wirtschaftsstarken ländlichen Raum, zu dem auch Petershagen gehört. Mir ist es wichtig, dass wir im Mühlenkreis an gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Land arbeiten und unsere Dörfer auch weiterhin lebens- und liebenswert sind. Die Menschen sollen gerne bei uns im Kreis leben und Fachkräfte sich hier niederlassen. Dafür arbeiten wir im Kreishaus in vielen Bereichen: Die Gesundheitsversorgung versuchen wir mit dem Entwicklungskonzept für die Mühlenkreiskliniken zukunftsfest zu machen. In die ambulante Versorgung wollen wir stärker einsteigen, denn der Ärztemangel gerade auf dem Land ist deutlich spürbar und auch das Netz an Rettungswachen wollen wir weiter ausbauen.

 Im Bereich Mobilität hat sich der Kreistag darauf verständigt die bestehenden Angebote besser zu verzahnen und neu zu denken. Das gilt für Bahnstrecken und Busse, genauso wie für Radfahrer und den Individualverkehr. In Zeiten, in denen Energie immer teurer wird, ist das Thema Mobilität in einem Flächenkreis eine echte Zukunftsfrage. Damit alle Menschen im Kreis Zugang zu digitalen Verwaltungsangeboten haben, sind wir unterwegs uns hier besser aufzustellen. Jeder soll von überall Verwaltungsleistungen einfach und unkompliziert nutzen können, von der Zulassung des Autos, bis zur Beantragung von Elterngeld. Dazu sind allerdings auch auf Bundesebene noch einige Hürden zu beseitigen und der Breitbandausbau muss — gerade in Petershagen — noch schneller voranschreiten.

Last but not least halte ich auch die Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung für einen wichtigen Punkt zum Thema Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen in Stadt und Land. Auf der Pohlschen Heide versuchen wir aktuell ein Modellprojekt zum völlig neuen Umgang mit Rohstoffen zu entwickeln. Dort soll ein Warenlager der Zukunft entstehen. Auch den Klimaschutz fördern wir mit vielen Projekten.

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Wie gut lassen sich Familie und Beruf in Ihrem Fall vereinbaren?
Familie und das Amt der Landrätin zu vereinbaren ist und bleibt eine Herausforderung. Diese Herausforderung kann ich überhaupt nur meistern, weil mein Mann mit unseren zweijährigen Zwillingen zu Hause ist und wir sozusagen die klassischen Rollen getauscht haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Immer wieder gibt es aber Situationen, in denen ich zwischen dienstlichen Terminen und meiner Familie entscheiden muss. Das ist immer eine schwierige Abwägungsentscheidung. Wichtig ist mir ein Vorbild für Frauen in der Kommunalpolitik und vor allem für potentielle Bürgermeisterinnen und Landrätinnen zu sein. In Deutschland gibt es nur wenige Landrätinnen. Ich bin eine der jüngsten. Es gibt also noch viel Nachholbedarf in diesem Bereich.

Was verbinden Sie mit der Stadt Petershagen?
Ich bin ein absoluter Wassermensch. Als Jugendliche habe ich Kanurennsport gemacht. Mit Petershagen verbinde ich natürlich den Natur- und Freizeitraum Weser. An unzählige schöne Fahrradtouren und Wochenenden zwischen Schlüsselburg und Lahde habe ich unvergessliche Erinnerungen. Die Weser, die Störche, und auch die weite Landschaft und vor allem die ehrlichen und bodenständigen Menschen mag ich sehr. Ich habe auch einige familiäre Bindungen und viele gute Freunde in Petershagen: Meine Mutter hat z.B. einige Zeit in Schlüsselburg gewohnt, so dass ich das große Glück hatte, dort oft die Wochenenden zu verbringen. Das habe ich immer sehr genossen. Zusätzlich ist meine Schwester mit zwei kleinen Läden in Lahde und in Petershagen selbstständig und da bekommt man schon so das Eine oder Andere mit. Nicht zuletzt bin ich auch immer gerne bei verschiedenen Festivitäten und kulturellen Highlights in Petershagen wie z.B. dem Ovenstädter Karneval, Veranstaltungen in Windheim No.2 oder der Glashütte Gernheim zu Gast. 

Soziale-Medien-Präsenz: Wie wichtig sind soziale Medien für Sie in Ihrer Rolle? Wo sehen Sie Vor- und Nachteile?
Soziale Medien gehören heute einfach zur politischen Arbeit dazu und in diesem Selbstverständnis nutze ich sie auch. Es ist allerdings gerade als Verwaltungsleitung nicht immer leicht behördliche Inhalte auch für die sozialen Netzwerke tauglich aufzubereiten. Viele Themen sind ausgesprochen komplex und nicht so einfach mit einem Foto und drei Worten zu erklären. Ich versuche dennoch mein bestes auf Facebook und Instagram Politik und behördliches Handeln zu erklären und transparent zu machen. Auch Zuschriften versuche ich zu beantworten. 

Besorgniserregend finde ich allerdings den Ton, der ausgehend von der Anonymität sozialer Netzwerke in den letzten Jahren sehr viel rauer geworden ist. Während der Hochphase der Pandemie habe ich Drohungen, Beschimpfungen und Anfeindungen im Netz erlebt, die mich sehr angegriffen haben. Ich habe diese dann zum Teil auch zur Anzeige gebracht. Das ist für mich eindeutig ein Nachteil der sozialen Netzwerke. Auch z.B. die prorussische Meinungsmache zum aktuellen Geschehen in der Ukraine oder abwertende Posts gegenüber Minderheiten, Flüchtlingen, oder generell anderen Menschen finde ich nur schwer erträglich. Ein respektvolles Miteinander würde ich mir auch an dieser Stelle wünschen. 

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