Donnerstag, 26. Dezember 2024

Anzeige

Wie wird unser Wasser wieder sauber?

Wie genau wird unser Abwasser gereinigt und welche Prozesse stecken eigentlich hinter unserem Frischwassererhalt?
Seit 1981 reinigt die Kläranlage in Leteln die Abwässer der Region. Foto: Dietmar Meier

Leteln (hg). Unterwegs auf den Spuren der für die Stadt Petershagen wichtigen technischen Infrastruktur habe ich mir einmal die Frage gestellt: „Wie genau wird unser Abwasser gereinigt und welche Prozesse stecken eigentlich hinter unserem Frischwassererhalt?“ Mit vielen Fragen im Gepäck machte ich mich also auf den Weg zur Kläranlage Minden-Leteln. Freundlich trat mir dort Betriebsleiter der Anlage und Diplom-Ingenieur Christian Gahre entgegen. Seit Juni 1981 ist die Kläranlage in Betrieb und verfügt über eine genehmigte Gesamt-Ausbaugröße von 240.000 Einwohnerwerten. Hier werden die Abwässer Mindens, Petershagens, sowie von Teilen Porta Westfalicas behandelt. Dabei wird das Abwasser aus Minden und Porta Westfalica über einen Zulaufsammler, das Abwasser aus Petershagen über eine Hauptdruckleitung zum Klärwerk transportiert. Die Kläranlage Leteln hat im vergangenen Jahr 11.058.289 Kubikmeter Abwasser gereinigt, Petershagen hat hierbei einen Anteil von 1.271.768 Kubikmeter dazu beigetragen. Die Kläranlage Minden umfasst eine Personalstärke von 25 Personen, darunter Abwassermeister, Fachkräfte für Abwassertechnik, Elektroniker, Laboranten und Auszubildende. Die Kläranlage Minden bietet sogar auch die Möglichkeit zu einer Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. Im dualen Konzept als Wechselmodell zwischen Betrieb und Berufsschule bereitet man sich darauf vor, später das Überwachen, bis hin zum Steuern und Dokumentieren der Abläufe in den Entwässerungsnetzen und weitere Aufgaben bei der Abwasser- und Schlammbehandlung im Klärwerk zu übernehmen. Bei einem von Christian Gahre geführten Rundgang über das Betriebsgelände konnte ich die verschiedenen Bereiche des Klärwerkes in ihrer Einzelheit kennenlernen und hatte als Laie die Möglichkeit, alle mir offenen Fragen zu stellen.

Wie funktioniert die Reinigung des Wassers genau?

Rechengebäude und Zulaufpumpwerk: Hier wird das Abwasser von groben Verschmutzungen, wie zum Beispiel von Feuchttüchern, Kunststoffabfällen wie etwa Wattestäbchen oder Holzstücken befreit, welche fälschlicherweise ihren Weg ins Wasser gefunden haben. Das sogenannte Rechengut wird im Container gesammelt und anschließend entsorgt. Das vorgereinigte Abwasser wird anschließend mittels Kreiselpumpen in den Sand- und Fettfang transportiert. Sand- und Fettfang: Im belüfteten Sandfang setzten sich jetzt, durch Verringerung der Fließgeschwindigkeit, schwere, vor allem mineralische Partikel am Boden ab. In regelmäßigen Abständen werden diese Partikel aus einer Rinne abgesaugt und anschließend in der Sandwaschanlage von organischen Stoffen gereinigt, gesammelt und anschließend entsorgt.
Damit auch leichtere Stoffe, wie zum Beispiel Fette und Öle abgeschieden werden können, wird im unteren Bereich des Sandfanges Druckluft zugeführt. Durch die dadurch entstehende Walzenbewegung des Wasserkörpers werden die leichteren Stoffe in einen beruhigten Bereich geleitet. Dort reichern sie sich an der Oberfläche an und können so separat mechanisch abgezogen werden.

Vorklärbecken und Voreindicker: Im Vorklärbecken findet jetzt die letzte Stufe der mechanischen Reinigung statt. Die Fließgeschwindigkeit wird weiter verringert, sodass sich ungelöste organische Feststoffe am Beckenboden absetzen können. Man beschreibt sie als Primärschlamm, welcher von hier aus in den Voreindicker gelangt, in welchem er sich absetzt und statisch eindickt. Aufschwimmende Stoffe die überwiegend aus Fett bestehen trennen sich vom Abwasser ab und können an der Oberfläche des Beckens entfernt werden.

Anearobbecken: Das Anaerobbecken dient der biologischen Phosphatelimination. Bei diesem Begriff habe ich gestutzt: „Was versteht man denn unter einer Phosphatelimination?“
„In diesem Becken werden die Mikroorganismen zur erhöhten biologischen Phosphataufnahme veranlasst. Dadurch kann das vermehrt aufgenommene Phosphat über den Überschussschlamm aus dem Abwasser entfernt werden“, erklärte Christian Gahre. Ohne dieses Verfahren müsste das Phosphat alternativ unter ständiger Zugabe von gelösten Metallsalzen chemisch-physikalisch aus dem Abwasser ausgefällt  werden.

Anzeige

Biologische Reinigung: Daraufhin findet im Belebungsbecken die biologische Reinigung des Abwassers statt. Mikroorganismen wie zum Beispiel Bakterien, die im sogenannten Belebtschlamm enthalten sind, sorgen für den Abbau der organischen Schmutzstoffe. Für diese Prozesse benötigen die Bakterien unter anderem Sauerstoff, der in der Kläranlage Minden mittels Druckbelüftung in die Becken geblasen wird. Diese Vorgänge vollziehen die Selbstreinigungsprozesse der natürlichen Gewässer nach. Bei der biologischen Reinigung geht es in erster Linie darum den Pflanzennährstoff Stickstoff  durch mehrere Stufen vom Ammonium zu Nitrit und danach zum Nitrat umzuwandeln.

Nachklärbecken: Anschließend durchfließt das gereinigte Abwasser die 16 Nachklärbecken, wo durch Sedimentation der Schlamm bzw. die Belebtschlammflocken vom Wasser getrennt werden. Sedimentation beschreibt die Ablagerung von festen Teilchen aus Flüssigkeiten. Mit Kettenräumern kann der abgesetzte Belebtschlamm, in eine trichterförmige Vertiefung transportiert und abgepumpt werden. An der Wasseroberfläche fließt das Klarwasser über eine Ablaufrinne ab.

Flockungsfiltration: In der Flockungsfiltration sollen feinste Teilchen abgetrennt werden, welche sich in den Nachklärbecken noch nicht abgesetzt haben. Nach dieser Reinigungsstufe verlässt das gereinigte Abwasser das Klärwerk und wird in die Weser geleitet. Die Qualität des ablaufenden gereinigten Abwassers wird online überwacht und zusätzlich täglich im Labor analysiert. Die Abbaubarkeit des Gesamt-Stickstoffs auf die Zulaufkonzentration bezogen liegt hier bei 93 Prozent, der Abbaugrad bei Phosphor liegt bei rund 99 Prozent.

Faulung und Energieerzeugung: Das Klärwerk Minden reinigt nicht nur das Wasser, sondern ist auch fast energieautark. Die Abwasserreinigung verbraucht rund 4,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Etwa 85 bis 90 Prozent des benötigten elektrischen Stroms werden im Werk selbst produziert. Zudem werden stetig Prozessoptimierungen im Rahmen der verfahrenstechnischen Anwendungen durchgeführt, um die Energieunabhängigkeit weiter zu steigern. In den beiden weithin sichtbaren Faultürmen des Geländes werden Teile des bei der Reinigung gewonnenen Schlammes weiter behandelt. Dabei wird der organische Anteil des Schlammes über eine vierstufige mikrobielle Umsetzung zum Methangas abgebaut. Die hierfür benötigte Wärme zur Aufheizung des Schlammes wird zu 100 Prozent aus der anfallenden Abwärme der Blockheizkraftwerke genutzt. Im Jahresdurchschnitt werden so rund 5.850 Kubikmeter Gas pro Tag produziert, im Gasbehälter zwischengespeichert und zur Stromerzeugung genutzt. Hierfür stehen auf der Kläranlage vier Blockheizkraftwerke mit jeweils 250 Kilowattstunden elektrischer Leistung zur Verfügung.

Klärschlamm: Der in den beiden Faulbehältern gesammelte und vorbehandelte Schlamm muss im weiteren noch mechanisch entwässert werden, um ihn transportfähig zu machen. Hierfür stehen Filterpressen zur Verfügung, die rund um die Uhr den ausgefaulten Schlamm unter Zugabe von Polymeren Flockungsmitteln entwässern. In Minden fallen jährlich um die 10.000 Tonnen pro Jahr an. Ab 2024 wird der anfallende Klärschlamm zukünftig gemeinsam mit insgesamt 78 Kommunen und Landkreisen in OWL und angrenzendem Bereichen im Zusammenschluss durch die Klärschlammverwertung OWL entsorgt. Hierbei fallen aus über 80 Kläranlagen insgesamt rund 160.000 Tonnen Klärschlamm an.

Für uns scheint es selbstverständlich, dass das Abwasser einfach im Waschbecken oder der Toilette verschwindet. Es hat mich sehr beeindruckt, welcher technische Aufwand nötig ist, die Schadstoffe wieder herauszufilter.

Im Nachklärbecken fließt das Klarwasser über eine Ablaufrinne ab.             Foto: Hanna Gola

 

 

Das könnte Sie auch interessieren
Petershagen

Wiehnachten, reine Nervensoke

Dieses Mal schreibt Friedrich-Wilhelm Graue aus Wasserstraße in seiner plattdeutschen Geschichte über Weihnachten als reine Nervensache.