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SAD-Suche1993: „Duell“ der Geologen

Anfang der 1990er Jahren brachte die Bezirksregierung Detmold ein Verfahren für einen neuen Sondermülldeponie-Standort.

Foto: Krischi Meier

Petershagen (ddm). Als die Bezirksregierung Detmold Anfang der 1990er Jahre ein Verfahren auf den Weg brachte, um den Standort für eine neue Sondermülldeponie (SAD) im Regierungsbezirk festzulegen, ging es dabei zu Anfang vorrangig um eine geologische Frage. Gesetzlichen Vorgaben entsprechend sollten nur Standorte infrage kommen, an denen der Untergrund eine so geringe Durchlässigkeit aufweist, dass keine Schadstoffe aus einer SAD über das Grundwasser in die Umwelt gelangen konnten. Die Bezirksregierung hatte damals ein großes, eigentlich renommiertes Unternehmen aus dem Ruhrgebiet mit der Standortsuche beauftragt. In der 1992 vorgestellten Studie sah das Unternehmen damals Flächen im Stadtgebiet von Petershagen ganz weit oben in der Rangliste.  Das Weltbild über die Beschaffenheit und insbesondere die Dichtigkeit der heimischen Tongesteine, auf das sich der Gutachter der Bezirksregierung stützte, entsprach – um es vorsichtig zu formulieren – allerdings nicht einmal dem damaligen Kenntnisstand. Politik, Verwaltung und die Bürgerinitiative in Petershagen sahen daher hier einen guten Ansatzpunkt, um die Bezirksregierung auch auf amtlichem Wege ins Wanken zu bringen. Und so gab die Stadt Petershagen im Sommer 1993 selbst zwei geologische Gutachten in Auftrag. Das Büro Geo-Infometric sollte in einer hydrogeologischen Studie Daten über die Wasserführung und Durchlässigkeit der Tongesteine im Stadtgebiet zusammenstellen. In einer strukturgeologischen Studie sollte der Autor dieses Artikels dann klären, inwieweit die Ergebnisse der Geo-Infometric-Studie auch auf andere Bereiche des Stadtgebietes übertragbar wären.
Zugute kam der Stadt dabei, dass auch die Abfallkommission des Bezirksplanungsrates Teile des Gutachtens beanstandet hatte, weshalb die Bezirksregierung ihren eigenen Gutachter zu einer Überarbeitung der ursprünglichen Studie aufgefordert hatte. Während der damit befasst war, machten sich die beiden von der Stadt Petershagen beauftragten Büros im Sommer und Herbst 1993 ihrerseits an die Aufgabe, Daten über die Tongesteine im Untergrund des Stadtgebietes zusammenzustellen. Dabei gab es vielfältige Unterstützung, angefangen von Mitgliedern der Bürgerinitiative, die sogar mit Schaufel und Besen Flächen im Tonstein zur Begutachtung freilegten, über das heimische Bohrunternehmen Klenke und den damaligen Leiter der Deponie Pohlsche Heide, Burkhard Schulte, bis hin zu Unternehmen der Erdölindustrie, die seismische Profile aus dem Stadtgebiet zur Einsichtnahme freigaben.

Was nicht in der Zeitung stand…

Schon frühzeitig hatte der damalige Petershäger Stadtdirektor Joachim Thiele die Devise ausgegeben: Es geht darum, Petershagen schnellstmöglichst „aus der Schusslinie“ zu nehmen. Denn auch eine jahrelange juristische Auseinandersetzung zwischen der Stadt und der Bezirksregierung wäre sicher zu Lasten der Stadtentwicklung in Petershagen gegangen. Und darauf wäre es vermutlich hinausgelaufen, wenn der Gutachter der Bezirksregierung auch in der überarbeiteten Version bei seiner ursprünglichen Standortempfehlung Petershagen geblieben wäre. Also was tun?
Dass die Stadt heimische Geologen beauftragt hatte, war angesichts der Presseberichterstattung auch dem Gutachter der Bezirksregierung nicht verborgen geblieben. Und das seinerseits Interesse an unseren Ergebnissen bestehen würde, davon war auszugehen. Und in der Tat, ein Gesprächsangebot aus Petershagen für ein inoffizielles Treffen wurde umgehend angenommen. Und so machte sich der Autor dieses Beitrages vier Wochen vor dem Termin, an dem die Bezirksregierung ihr überarbeitetes Gutachten vorstellen wollte, auf den Weg nach Essen — mit dem sicheren Gefühl im Gepäck, deutlich mehr über die heimischen Tongesteine zu wissen als der Gesprächspartner der Gegenpartei. Schon während des offenen Gespräches war zu erkennen, dass die eine oder andere geologische Botschaft aus Petershagen Wirkung hinterließ. Wie groß die Wirkung wirklich war, zeigte sich dann am 4. Dezember 1993, als die Bezirksregierung die neue Version ihres Gutachtens in Anwesenheit von Vertretern der Städte und Gemeinden im Regierungsbezirk in Detmold präsentierte. Nach halbstündigen Ausführungen zu methodischen Fragen wurde abschließend eine Karte auf den Overheadprojektor gelegt, die den gutachterlich empfohlenen neuen SAD-Standort zeigte. Und der lag unvermittelt weitab von Petershagen, nun in Blomberg. Die Gesichtsausdrücke des Petershäger Stadtdirektors auf der einen Seite und des Vertreters der Stadt Blomberg auf der anderen Seite in diesem Moment sind beim Autor dieses Beitrages bestens im Gedächtnis geblieben. Aus geologischer Sicht konnten wir uns damals des Eindruckes nicht erwehren, dass der neue Standortvorschlag nichts anderes war als eine kurzfristige Notmaßnahme des Gutachters, weil die Region Blomberg aus anderen geologischen Gründen (Erdfälle) genauso unsinnig erschien wie der Raum Petershagen. Das Essener Unternehmen wäre aber bei einer erneuten Festlegung auf Petershagen Gefahr gelaufen, sich vollends zu blamieren. Der Unterschied: die Stadt Petershagen war mit den beiden eigenen geologischen Gutachten schon bestens gerüstet, während in Blomberg niemand mit einer „Nominierung“ gerechnet hatte. Und das Ende vom Lied: wenige Monate später wurde das gesamte Verfahren unvermittelt eingestellt, weil die Bezirksregierung plötzlich keinen Bedarf mehr für eine neue Sondermülldeponie im Regierungsbezirk Detmold sah. Was für ein Behördenwahnsinn.

Luftnummer: umgangssprachlich ein Vorhaben, das vollmundig angekündigt wird, einer näheren Überprüfung aber nicht standhält und sich als nichtig herausstellt.

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