Lahde (ddm). Überraschung beim abendlichen Hundespaziergang am Freitag, den 8. Januar 2021: Eine Wasserdampffahne über dem Kühlturm, die sich bei der trocken-kalten Wetterlage weit in Richtung Frille verfolgen ließ, verriet, dass das Kraftwerk Heyden IV in Betrieb war. Und das gerade mal eine Woche nach dem angekündigten Ende der Stromproduktion in Lahde.
Zur Erinnerung: Das Unternehmen Uniper hatte am 1. Dezember 2020 mitgeteilt, dass das Kraftwerk Heyden 4 (Leistung 875 Megawatt) die kommerzielle Stromproduktion bereits zum 1. Januar 2021 einstellen würde und am 1. Juli 2021 endgültig stillgelegt werden solle – sofern der Übertragungsnetzbetreiber keine Systemrelevanz feststellt.
Auf unsere umgehende Anfrage an die Öffentlichkeitsarbeit des Kraftwerks bekam die Redaktion prompt eine Information durch den zuständigen Mitarbeiter Heiko Deterding: Das Kraftwerk Heyden sei auf Anforderung des Netzbetreibers Tennet zur Stabilisierung des Höchstspannungsnetzes angefahren worden.
In Sachen Stromversorgung war der Betrieb des Kraftwerks Heyden nicht die einzige interessante Nachricht an dem besagten Freitag. Einer Fachveröffentlichung war zu entnehmen, dass es im europäischen Stromnetz am Nachmittag des Tages zu einem schlagartigen Spannungsabfall unter 50 Hertz gekommen war, vermutlich initiiert durch einen Kraftwerks-
ausfall in Südosteuropa, wie der österreichische Rundfunk ORF berichtete. Um einen flächendeckenden Zusammenbruch des Stromnetzes („Blackout“) zu verhindern, seien eine Reihe von Maßnahmen initiiert worden. Unter anderem seien in ganz Europa Kraftwerke hochgefahren worden, um das Stromnetz zu stabilisieren, meldete der ORF. Man habe in diesem Fall davon profitiert, dass es noch Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen gibt, zitiert der ORF einen Professor für Elektrotechnik. Wer erwartet hätte, Informationen über dieses Ereignis und seine Hintergründe zeitnah in den bundesdeutschen Medien zu finden, wurde enttäuscht. Erst eine Woche später titelte der Focus einen Beitrag: „Europa schrammte am Freitag knapp am Blackout vorbei“.
Bleibt die Frage, ob die beiden genannten Ereignisse an diesem Tag direkt zusammenhingen, ob das Anfahren des Kraftwerks Heyden eine unmittelbare Reaktion auf das Problem im europäischen Stromnetz war oder andere Ursachen hatte. Darüber lässt sich im Moment nur spekulieren, da weder der Netzbetreiber noch die Bundesnetzagentur diesbezügliche Informationen herausgegeben haben. Insofern darf man auf die weitere Entwicklung gespannt sein. Vermutlich werden deswegen nicht nur die Blicke des Petershäger Anzeigers in nächster Zeit immer mal wieder zum Kühlturm des Kraftwerks gehen. Bis Ende März muss sich der Netzbetreiber Tennet entscheiden, ob das Kraftwerk Heyden weiterhin als Reserve zur Verfügung stehen soll. Dann würde der Betrieb in Lahde auch nach dem 1. Juli weitergehen. Dabei muss man auch im Hinterkopf haben, dass das AKW Grohnde, das jetzt noch einen erheblichen Teil der Grundlast liefert, Ende 2021 vom Netz geht.