Mittwoch, 20. November 2024

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Ein Jahr auf dem Bauernhof – Die Grasernte

Wenn auf unserem Hof der große, alte Kastanienbaum in Blüte steht, ist es meistens Zeit für den ersten Schnitt des Grases. Nicht nur der Kastanienbaum blüht zu dieser Zeit sondern es ist dann auch Schon- und Setzzeit der Rehe und Hasen. Zum Schutz der Tiere stellen wir oder der Jagdpächter, einen Tag vor dem Abmähen des Grases, Fahnen in den Wiesen auf. Die Elterntiere mögen diese Störung nicht. Auch die Fährte des Menschen und des mitgenommenen Hundes beunruhigt die Eltern. Sie holen die Jungtiere aus dem Gras in die naheliegenden Waldstücke. Kurz vor dem Mähen werden die Fahnen aus den Wiesen entfernt. Eine weitere Schutzmaßnahme der Wildtiere ist das Abmähen von Innen nach Außen oder von einer zur anderen Seite. So werden ausgewachsene Hasen aus der Wiese getrieben und vor Verletzungen, die meist lebensbedrohlich sind, geschützt. 

Nachdem bei guter Wetterlage das Gras gemäht ist, wird am selben Tag das Gras gewendet und am Abend geschwadet, also in Reihen abgelegt. Nun kann das Gras vom Ladewagen aufgesammelt oder vom Häcksler zerkleinert auf die nebenherfahrenden Silowagen gepustet werden. Wenn der Wagen voll ist, wird das Gras zum Hof gefahren und dort im Fahrsilo abgeladen. Ein Trecker mit Gewichten zum Beschweren und einem Siloverteiler ausgestattet, verteilt gleichmäßig das Gras im Silo und verdichtet dieses. Das gute Verdichten und das luftdichte Abdecken der Silage ist ein wichtiger Grundstein für eine gute Futterqualität. Denn nun vermehren sich die Milchsäurebakterien, vergären den Zuckeranteil der Pflanzenmasse und bilden daraus Milchsäure. Der PH-Wert sinkt dadurch unter 4 und ein säuerlicher Geruch und Geschmack entstehen. Die Milchsäurebakterien werden gehemmt und die Gärung kommt zum Stillstand. Das silierte Futter ist nun haltbar solange es luftdicht verschlossen ist. 

Insgesamt mähen wir circa vier bis fünf Mal pro Jahr das Gras ab. Der erste Schnitt ist für uns der wichtigste, da der Energie- und Proteingehalt am höchsten ist und exklusiv für unsere Kühe bestimmt. Um eine optimale Silage zu bekommen müssen viele Faktoren genau passen. Zunächst ist der Schnittzeitpunkt am Besten, während das Gras die Rispen und Ähren schiebt. Hier ist das Verhältnis zwischen Rohfaser und Inhaltstoffen für Milchkühe am Besten. Rohfaser ist die Zellstruktur der Pflanze, hier des Grases, die die Kuh zum Wiederkauen in ihren vier Mägen braucht. Bei der Grassilage sollte der Rohfasergehalt bei 22 Prozent liegen, damit eine gute Verdaulichkeit der Silage gewährleistet ist. Ist der Schnittzeitpunkt zu spät, steigt der Rohfasergehalt und die Inhaltsstoffe sinken. Oftmals ist es ein Spagat zwischen optimalen Erntezeitpunkt und des Wetters. 

Der Unterschied zwischen Grassilage und Heu ist der der Anteil der Restfeuchtigkeit des Grases, welcher bei der Silage bei rund 60 Prozent liegt und somit etwas angewelkt ist. Im Heu liegt der Anteil der Restfeuchtigkeit bei rund 12 Prozent und wird durch den großen Anteil der sogenannten Trockensubstanz haltbar. Für Silage wird weniger Maschineneinsatz benötigt als beim Heuen, da häufiger, über etwa vier Tage gewendet und geschwadet wird. Auch wird mindestens vier Tage Standwetter für Heu benötigt. Silage ist bei absolut passender Wetterlage binnen 24 Stunden passend angewelkt zum Silieren. Bei schlechtem Wetter ist die Ernte verlangsamt. Je länger das Gras abgemäht in der Weide liegt, desto mehr werden Nährstoffe abgebaut. Nach Möglichkeit fahren wir jedes Jahr auch Heu ein, zur Ergänzung der Fütterung der Kühe und deren Nachkommen.

Die Silagen sind der Futtervorrat für unsere Kühe und Rinder für das ganze Jahr. Die fertigen Silagen werden auf Zusammensetzung der Inhaltstoffe und der Rohfaser mittels Futteranlysen untersucht. Anhand der Futteranlysen wird ein Ernährungsplan (Futterration) für die Kühe erstellt. Eine milchgebende Kuh benötigt mehr Energie als eine trockenstehende Kuh. Je hochwertiger die Silage ist, desto weniger zugekauftes Ergänzungsfutter benötigen wir. Hier spricht die Fachwelt von Grundfutterleistung. Durch unsere gute Grundfutterleistung können wir viel Futterzukauf sparen und wissen genau über die Herkunft unseres Futters Bescheid, da es fast ausschließlich von uns angebaut und geerntet wird. 

Das Silieren ist immer etwas Besonderes für uns, da viel davon für ein ganzes Jahr abhängt. Unterstützt werden wir vom Lohnunternehmern und teilweise helfen wir uns mit Landwirtskollegen untereinander aus. Während der Pausen sitzen und essen wir mit den Helfern unter dem blühenden Kastanienbaum. Am Ende dieser zwar anstrengenden Tage sind wir sehr dankbar und zufrieden. 

Text und Foto: Birte Teikemeier

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